Achtsamkeit

Eine Frage des Standpunktes

IMG_0917 Eine Frage des Standpunktes

Vor ein paar Wochen hatte ich ein leises aber eindringliches Erlebnis, das mir tief in Erinnerung geblieben ist. Mit der Kamera im Gepäck machte ich mich frühmorgens auf den Weg zu einem kleinen See nahe Linz. Ich wollte zur Ruhe kommen, mich für eine Weile aus der Hektik der Welt zurückziehen, die Fotografie als Meditation nutzen. Mein Teleobjektiv war montiert – ein symbolischer Akt, um meinen Fokus nicht nur im Bild, sondern auch in mir selbst zu schärfen.

 

Es war ein windiger Tag. An einem meiner liebsten Plätze am See – einem schmalen Ufer aus grauem Kies – ließ ich mich nieder. Der Wind zerrte an mir, das Wasser peitschte gegen die Steine, doch abgesehen davon war es still. Ich schloss die Augen, ließ die Geräusche in mich einsickern, versuchte, ganz im Moment zu sein. Doch bald spürte ich, wie mein Körper sich verspannte. Meine Beine verkrampften, mein Gleichgewicht schien fragil, als würde der Boden unter mir stetig nachgeben. Der Wind drückte mich unaufhörlich zurück.

 

Ich machte ein paar Schritte zur Seite, suchte nach festem Halt. Doch wieder stand ich auf unsicherem Grund, spürte keine Verbindung zum Boden. Der Wind blieb, meine Unsicherheit ebenso. Also wechselte ich erneut meinen Standort, diesmal mit Bedacht. Ich ließ meinen Blick schweifen, wählte eine Stelle, auf der ich mich bewusst und mit festen Füßen niederlassen konnte. Und plötzlich war da eine entspannenede Ausgeglichenheit. Keine unnötige Anspannung mehr, kein Ringen um Balance. Der Boden trug mich, der Wind verlor seine Wucht. Er war noch da, doch er konnte mich nicht mehr erschüttern.

 

 

Ich verweilte. Gedanken kamen, Gedanken gingen. Ich ließ sie ziehen, so wie der Wind an mir vorbeizog. Als ich mich schließlich umwandte und den Heimweg antrat, spürte ich ihn im Rücken. Derselbe Wind, der mich zuvor herausgefordert hatte, trieb mich nun sanft voran. Er war kein Gegner mehr, sondern ein Begleiter, ein Anstoß, weiterzugehen.

 

Und so wurde mir etwas Wesentliches bewusst: Es kommt darauf an, den richtigen Standpunkt zu finden – in der Fotografie, im Leben. Wenn sich alles angestrengt anfühlt, wenn Spannung und Widerstand überwiegen, dann ist es manchmal nicht die Situation, die sich ändern muss, sondern meine Position. Manchmal braucht es nur einen Schritt zur Seite, ein Neuausrichten, ein bewusstes Innehalten. Dann verliert selbst der stärkste Gegenwind seine Macht. Dann werde ich zur Mitte, und das, was mich eben noch festzuhalten schien, trägt mich weiter.

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert